Predigttalk 5 zum Erntedankfest und Mk 8, 1-9
Friederike:
Mich beschäftigt weniger die wundersame Speisung der Vielen, als dass Jesus hier die Verantwortung für alle, die von weither angereist sind, um ihn zu hören, übernimmt. Das rührt mich an. Genauso könnte er sagen, jedeR sorgt für sich selbst. Ihr habt schließlich entschlossen, zu mir zu reisen, also müsst ihr auch dafür sorgen, dass ihr auf dieser Reise satt werdet. Jesus aber sagt und handelt: Ich sorge für Euch. Er verspürt oder vielleicht begreift er es in dem Moment: Ich trage die Verantwortung, ich habe die Fürsorge-Verpflichtung, ich muss oder möchte alle, die zu mir kommen, einladen. Und zwar nicht nur die Jünger (die sich ja auch sorgen - also ebenfalls diese Fürsorge-Verpflichtung verspüren), sondern alle.
Die Aufgabe, Gastgeber zu sein, war damals möglicherweise auch aus kulturellen Gründen viel wichtiger als heute. Doch selbst heute noch verspüren wir als GastgeberIn die Verpflichtung: Alle, die ich eingeladen habe und die kommen, sollen satt werden, sich wohlfühlen, ohne Sorgen sein. Auch wenn bei uns ein Brot und ein Fisch reichen würden, bieten wir oft sieben verschiedene Sorten an, und dies noch und das, damit auch jedeR etwas findet, das ihm/ihr schmeckt. Jesus hat die Menschen vielleicht nicht persönlich eingeladen, aber sie sind seinetwegen gekommen. Und nun leiden sie Not.
Die Menschen, die Moria verlassen mussten, leiden auch Not, sie suchen dringend eine Bleibe, sie brauchen alles - das Brot aber auch den Sinn im Leben. Wir aber nehmen nur eine geringe Anzahl auf. Immer noch sind viele Menschen auch in Deutschland auf der Straße. Kümmern wir uns wirklich genug um sie? Durch Corona wird derzeit einigen Berufsgruppen der finanzielle Boden unter den Füßen weggezogen. Sie werden bal zu den Armen gehören. Sitzen wir dann noch an einem Tisch? Sagen wir nicht nur: Gut, dass es uns selbst nicht trifft?
Wo ist der Erntedank des einzelnen? Für wen trage wir Fürsorge? Nur für die eigenen Kinder, Freunde, Arbeitskollegen? Oder auch für andere, für notleidende Menschen oder Gruppen in unserer Nähe, in unserem Ort, für die Umwelt, das Land, die Erde, die uns versorgt?
In der Eifel, mitten im Niemandsland, zwischen den Feldern, gibt es eine kleine Kapelle, vom namhaften Architekten Peter Zumthor entworfen. Sie heißt Bruder-Klaus- Feldkapelle. Wie kam es dazu? Ein Landwirts-Ehepaar sagte sich: Wir haben unser Leben lang Gottes Segen über uns gespürt, unsere Kinder sind gesund, wir sind wohlhabend, es geht uns gut, nun möchten wir Gott unseren Dank ausdrücken. Sie stifteten diese kleine, aber ganz besondere Kapelle. Der weltbekannte Architekt, den sie angefragt hatten, sagte diesen unbedeutenden Auftrag nicht ab, er schenkte ihm Zeit und Aufmerksamkeit. Er beschäftigte sich mit Materialien und historischen Bautechniken der Region und schuf ein einzigartiges Bauwerk, ein kleines architektonisches Juwel. Eine Kapelle im Nirgendwo, ein Ort Gottes, der inzwischen Pilger und Kunstsinnige anzieht. Was für ein Erntedank!
Natürlich kann man sich fragen, ob man von dem Geld nicht zahlreiche hungernde Kinder in der 3. Welt hätte versorgen können. Die Kapelle ist ein Symbol. Ein Symbol ist ein Zeichen für etwas. Ich finde seine Aussage sehr einprägsam, auffordernd auch.
Ich bin ebenfalls dankbar für Vieles im Leben. Ich hoffe, dass ich meinen Erntedank heute schon weiter verteile, mit vielen kleinen Gesten. Und seien es nur ein Lächeln und ein paar Worte, um jemand anderen zu Lächeln zu bringen. Eine Postkarte für jemanden, der einsam oder krank ist, um zu sagen: Ich denke an Dich! Eine kleine Spende für denjenigen, der sie gerade besonders braucht. Zeit und Tat für einen Verein, der anderen hilft, für ein Ehrenamt oder ganz direkt für jemanden, der Hilfe braucht. Gleich heute oder morgen! Eine Geste ist auch ein Symbol.
Lutz:
Eigentlich ist das Erntedankfest mein "Lieblingsfest" im Kirchenjahr. Das Fester der Liebe = Weihnachten ist mir teilweise schon fast zu abgeschmackt schon von dem dort oft -überbordenden Konsumrausch, der dort getrieben wird. Und just die Mk 8 , 1-10 Geschichte analog Mt 15 32 - 39 oder sogar abgeändert bei Joh. 6 , 1 - 13 ist über die wundersame Brotvermehrung die Rede, dass alle auf wundersame Art denn satt geworden sind.
Da das physisch nicht möglich ist - und das kann ich als Hobbybäcker nur so bestätigen - geht es also gar nicht um die biomedizinische Sättigung. Obendrein wäre in der Wüste die Sättigung ohne entsprechendes Wasser zum Durstlöschen, was zur Sättigung erforderlich - hier kann die zerkaute Nahrung im Verdauungstrakt aufquellen - ist eine Unmöglichkeit.
Ich vergleiche diese Brotvermehrung mit der Nutzung meiner Solarstromanlage. Zum Erntedanktag danke ich Gott, dass die Sonne, die vom Himmel brezelt, eine solare Stromproduktion in Gang setzt, bei der es nicht raucht, nicht stinkt, die bis auf das Summen der Wechselrichter im Keller geräuschlos daherkommt und vor allem, keinen radioaktiven Abfall hinterlässt. Hier werden keine Luftoxidantien emittiert, die irgendwelche Allergien oder Asthmaanfällen bei empfindlichen Menschen auslösen.. Mit Hilfe des in der Solarbatterie im Keller gespeicherten Stroms komme ich auf eine Eigenstromversorgung von über 61 Prozent übers Jahr - in den Sommermonaten liege ich oft bei über 90 %!. Und dies trotz des Aufladens meines Hybridfahrzeugs und der vielen Backvorgänge im Elektroofen. Mit meinem erzeugten Strom versorge ich virtuelle übers Netz noch etwa 1, 5 weitere Haushalte mit meinem Stromverbrauch = ich verkaufe also noch den Überschussstrom. So, und jetzt kommt der direkte Vergleich zur biblischen Vorlage. Diese Energievorgänge spielen sich über abstrakte Zahlen auf den Zählern im Keller ab, die ich täglich in langen Listen sorgfältig dokumentiere Im Laufe der Jahre haben sich diese Vorgänge in mir so weit verinnerlicht, dass sich ein saugutes Lebensgefühl eingestellt hat, wenn auch nur diffuses Licht Strom erzeugt. Als visuelle Krönung kann ich diese Vorgänge über eine sehr anschauliche Grafik auf dem PC und sogar auf einer App auf meinem Handy nachvollziehen = ich bin mit jeder Kilowattstunde quasi "per du" und weiß ganz genau, wie sich mein Strom zusammensetzt: Was kommt aus dem Stromnetz, was kommt aus meiner Batterie/ was wird direkt an Solarstrom verbraucht. Ich habe inzwischen mein ganzes Haushaltsgeschehen auf die Wetterlage eingestellt. Meine Mutter hatte früher montags gewaschen - egal, ob es draußen gestürmt oder geschneit hat oder es sonnig war. Ich befinde mich im fröhlichen Wettbewerb mit meinem Stromzähler. Ganz toll, wenn man abends feststellt: etwa 15 Kilowattstunden Strom verbraucht, aber nur etwa 1,5 kWh bezogen = der Rest kam von den Solarmodulen, bzw. aus der Batterie. Ein Rest an Netzstrom ergibt sich oft bei dem Anfahrstrom, der sich bei manchen Kleingeräten als ein Blitz beim Einschalten zeigt.
Das gibt ein Sättigkeitsgefühl, was für mich zur Lebensqualität gehört, worauf ich seit 1992 nicht mehr verzichten möchte. Es gibt gute und schlechte Ertragsjahre, und ich habe gelernt, dann demütig zu sein, wenn es mal trübe Zeiten gibt. Und die haben wir im Vorharz - jedes Jahr. Doch es gibt keinen Monat, in dem nichts produziert wird.
Zu den "Fischen" gehört die Nutzung der Solarthermieanlage. Hier wird nicht nur das Brauchwasser produziert, sondern es wird auch die Heizung in der Übergangs - und Winterzeit unterstützt. Dass die Ölzentralheizung im Durchschnitt der Jahre ein gutes halbes Jahr ausgeschaltet bleiben kann, weil die Sonne genug Licht abgibt, die in den Kollektoren in Wärme umgewandelt wird - was gibt es Besseres? Bei der Installation 1987 tauchte ein Luxusproblem auf, mit dem wir gar nicht gerechnet hatten: Es war nicht das Zuwenig an heißem Wasser, nein, wir wussten gar nicht, wohin mit der vielen heißen Brühe. Und mehr als zweimal duschen.... So wurde alsbald ein Vorschaltgerät für die Waschmaschine gefunden, so dass per Zeitschaltuhr das Erst - Einspülwasser temperaturgerecht in die Maschine fließt. Der gesamte Aufheizungsvorgang der Maschine auf die eingestellte Solltemperatur entfällt, und das macht rund 2/3 bis 3/4 4 des Stromverbrauchs aus. Die Spülmaschine wurde ebenfalls an das Heißwasser angeschlossen.
Mit den beiden solaren Erzeugungsanlagen werden täglich die "Brocken und Krümel" sorgfältig gesammelt, so dass auch noch die Umwelt profitiert - auch diese Vorgänge tragen zum Dankbarkeitsgefühl auf, was ich gerne an Erntedank vorbringen möchte. Leider kann ich meine Kilowattstunden nicht an den Altar bringen geschweige denn mein eingespartes Öl.
Umweltpfarrer i. R. Friedrich Krüger hatte seinerzeit meine Frau und mich für die Friedensgebetswoche in der Andreaskirche in SZ - Lebenstedt Anfang der 90er Jahre für eine kleine Fotoausstellung und Andacht gewonnen, an der wir mehrmals aktiv teilgenommen hatten.
Jürgen
Erntedank als landwirtschaftliches Fest ist weit aus den Köpfen habe ich den Eindruck. Die Erntegaben werden immer weniger. Noch einige Landwirtsfrauen bringen etwas oder kaufen etwas, damit wenigstens die Deko stimmt. Ansonsten interessiert dieses Fest weniger. So zumindest mein Gefühl angesichts einer dreißigjährigen Erntedankerfahrung.
Lebensdank - wird der gesehen. Ich denke schon, dass Menschen dankbar sind, vielleicht in dieser Zeit nochmal einen mehr, auch wenn wir über Corona und die Einschränkungen schimpfen. Ich erlebe schon viel Dankbarkeit. Doch wemgegenüber bringen wir sie zum Ausdruck? Wohin mit diesem Grundgefühl, wenn der Glaube fehlt, wenn wir nicht sagen können: Diesem und jenem sind wir dankbar? Schöpfungsglaube ist sicher einfacher als Auferstehungsglaube, aber führt das auch zu einem Gang zum Gottes-Dienst - zum Ereignis der Begegnung mit dem, der diese Schöpfung geschaffen hat und erhält?
Dankesfest. Wie feiert man es in Abstandszeiten? Die Gemeinschaft der wenigen in der analogen Welt feiern? Kann man digital feiern? Ich würde so gerne freudig tanzen und fröhlich sein. Es geht uns gut. Aber Vorschriften bremsen diese Freude. Frust!
Meine Gedanken zum Text: Was habt ihr? Was macht ihr damit? Jesus nimmt uns in die Verantwortung für die Welt. Mehr zu diesen Gedanken am Sonntag.
Volkmar
In den letzten Jahren ist für mich das Erntedankfest scheinbar bedeutungslos geworden. Wir müssen nichts selber ernten, sondern gehen in den Supermarkt und finden alles in Hülle und Fülle vor, in guter Qualität und geringen Preisen. Dafür lohnt es sich nicht, selber etwas anzubauen und zu ernten – wir können es uns ja leisten.
Und dann kommst Du und fragst was Erntedank für mich bedeutet…..
Als Nachkriegskind und Mitglied einer Arbeiterfamilie habe ich noch die Zeit kenngelernt, daß das Selberanbauen von Nahrung überlebenswichtig war. Was nicht im Garten oder Bleek wuchs, mußte gekauft werden und dafür war kaum Geld vorhanden. Die Mutter verdiente etwas Geld oder Nahrungsmittel dazu, indem sie beim Bauern half (Rübenhacken, beim Dreschen oder Kartoffeln auflesen). Wenn wir Kinder groß genug waren, mußten wir im Garten helfen oder Äpfel am Straßenrand einsammeln, im Wald Himbeeren pflücken und natürlich Kartoffeln auflesen. Da hatte das Erntedankfest einen hohen Stellenwert und man ging in die Kirche um Gott für die Ernte zu danken, nicht unbedingt wir Kinder, aber unsere Eltern.
Die Bauern fuhren das letzte Fuder Stroh mit einer Erntekrone ein. Das war irgendwie feierlich. Die Bauern waren Hauptarbeitgeber und somit wichtige Ernährer im Ort. Heute sind sie Unternehmer, die Nahrungsmittel produzieren und verkaufen. Sie produzieren Nahrung im Überfluß, leider kommt sie nicht da an, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Einige Nahrungsmittel werden dazu benutzt, Strom zu erzeugen oder dem Kraftstoff hinzuzufügen. Da hat das Erntedankfest mehr oder weniger nur noch einen traditionellen Charakter.
Als ich den Text aus dem Markusevangelium hörte fiel mir nur eines dazu ein:
Wenn man etwas teilt, vermehrt es sich!
Das ist für mich die Kernbotschaft dieses Textes.